Novembers Farbe ist das Grau,
vom Wesen bleiern, welk und rau,
total entlaubt, schmucklos und nackt,
Mutter Natur hat abgewrackt.
Die Zeit laut Überlieferung
hieß Windmond einst und Nebelung,
und schon seit jeher schien geboten
jetzt zu gedenken aller Toten.
So hat man dessen Anbetracht
zum Trauermonat ihn gemacht.
November ist ein Abschiedswort,
des Abgesanges Schlussakkord.
Doch im Gedicht Novemberlied*
zeigt Goethe einen Unterschied,
indem er dieser tristen Zeit
ein freundlicheres Bild verleiht.
Er hat es Amor zugedacht
und nicht am Schützen festgemacht,
dem Sternbild, dessen Wolkenschicht
grau überdeckt das Sonnenlicht.
Weil Trübsinn nicht zählt zu den Gaben
des fröhlich-muntren Liebesknaben,
zeigt doch schon dieses Bild allein,
November kann so schlecht nicht sein.
Des Monats wichtigste Mission
hat eine ordnende Funktion
in Form des Auftrags der Natur
zur Übergabe-Inventur.
Durch misten, leeren und durch räumen
in Hain und Flur, von Busch und Bäumen,
ordnet der Monat sinnbildhaft
des alten Jahrs Nachlassenschaft.
Da bald der Zeitpunkt naht zu sterben,
gilt es, ein Neues zu beerben.
Was wär des Frühlings Wirksamkeit
ganz ohne diese Vorarbeit?
November, anders als der Lenz,
erweist sich als des Seins Essenz.
Aufs Wesentliche ganz beschränkt,
von Reizen nicht mehr abgelenkt,
gibt er den Rat uns: Mensch, halt inne -
und schärft für alles unsre Sinne.
So hat auch Nietzsche es empfunden:
"Nicht lauteste, nur stille Stunden
größte Ereignisse bedingen".
Wer's ernst meint, dem mag dies gelingen.
Mit diesem Rat schließt mein Gedicht:
Verachtet den November nicht!
*Novemberlied Johann Wolfgang von Goethe
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Dem Schützen, doch dem alten nicht,
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